Zeit

Wasserfall im Zillertal

"Das ist eine große Zeitersparnis", sagte der Händler.
"Die Sachverständigen haben Berechnungen angestellt.
Man erspart dreiundfünfzig Minuten in der Woche."
"Und was macht man mit diesen dreiundfünfzig Minuten?"
"Man macht damit, was man will..."
"Wenn ich dreiundfünfzig Minuten übrig hätte", sagte der kleine Prinz,
"würde ich ganz gemächlich zu einem Brunnen laufen..."

Ein kleiner Wasserfall im Zillertal "Das ist eine große Zeitersparnis", ein Zitat, das für viele Menschen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wohl von großer Bedeutung ist. Egal ob in Beruf, Familie oder Freizeit, der Mensch scheint darunter zu leiden unter Zeitdruck zu stehen und auf Erden nur eine begrenzte Zeitspanne zur Verfügung zu haben. Meiner Meinung nach muss man dieses Problem von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten.

Einerseits ist der Mensch heute in vielen Ländern dazu fähig sich ein längeres Verbleiben auf Erden zu ermöglichen, vor allem durch die raschen Fortschritte in Medizin, Wissenschaft und Technik. Doch scheint diese gewonnene Zeit den Menschen, die im Wohlstand leben, - und es sind ja zumeist jene, die unter Zeitmangel leiden und unter Zeitdruck stehen - nicht wirklich Nutzen zu bringen und ihnen Gelegenheit zu geben mehr aus ihrem Leben zu machen.

In unserer heutigen Leistungsgesellschaft wird andererseits immer mehr darauf Wert gelegt, seine Karriere und damit einen großen Teil seines Lebens zu (ver)planen. Von frühester Kindheit an sind wir Menschen dem Leistungsdruck unterworfen. In der Schule, der Arbeit und sogar bei den Freizeitaktivitäten werden von uns immer mehr Leistungen gefordert. Das wäre an sich keine schlechte Sache, seine Zeit zu nutzen und das Beste aus sich zu machen, doch bleibt zumeist für uns selbst keine Zeit mehr übrig. Das ist wahrscheinlich eine etwas gewagte Behauptung, da wir ja vor allem unsere Freizeitaktivitäten nur für uns tun und nicht für andere. Jedoch fehlt meistens die Phase der Entspannung, eine kleine Ruhepause, in der wir uns Gedanken darüber machen, was wir den ganzen Tag erlebt und geleistet haben.

Viele Menschen brechen dann unter dem Druck und den überhöhten Anforderungen unseres Lebens zusammen. Sie beginnen an Depressionen zu leiden und oft fällt das ihren Mitmenschen gar nicht auf. Schlimmer noch, manchmal bemerken sie es, doch es interessiert sie gar nicht, den anderen Menschen, den "Freund", unter der Last des Alltags zusammenbrechen zu sehen. Sie sind viel zu sehr mit sich selbst und anderen mehr oder weniger wichtigen Dingen beschäftigt. Zwar wird man von vielen die zur Floskel gewordene Aussage "Ich bin immer für dich da. Ich habe immer Zeit für dich", zu hören bekommen, doch, wenn dann wirklich "Not am Mann" ist, hat man leider "überhaupt keine Zeit".

Aber vielleicht ist ja gerade das das Problem, dass wir den ganzen Tag viele verschiedene Dinge tun, jedoch nicht miteinander sondern nebeneinander. Oft lässt sich nämlich aus Aktivitäten und Aktionen, die man für andere gesetzt hat, mehr Kraft gewinnen als aus Dingen, die man nur getan hat um selbst Spaß zu haben.

Natürlich macht es z.B. Kindern Freude mit anderen Videospiele zu spielen, vor dem Fernseher zu sitzen oder im Internet zu surfen. Oft nehmen sich diese Kinder auch etwas davon mit, was ab und zu ja doch an Inhalten vermittelt wird. Doch letztendlich ist man nicht der Held des Videospiels oder der Star aus der Fernsehserie. Man ist eine eigene Persönlichkeit, die eigene Erfahrungen mit den Menschen, die sie umgeben, machen muss.

Doch um auf den Textausschnitt aus "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry zurückzukommen, ich glaube, der Autor erkennt die Probleme unserer Zeit, die zum Teil auch zeitlos sind, sehr gut. Da man sich hier nur auf einen Ausschnitt des Buches und nicht auf die ganze Szenerie beziehen kann, ist es möglich einige Vermutungen anzustellen. Man erfährt beispielsweise nicht, wodurch man sich diese dreiundfünfzig Minuten pro Woche ersparen könnte. Doch wenn man sich die Relationen vor Augen hält, dann sind das nicht einmal acht Minuten am Tag, und das ist nicht gerade viel! Daraus könnte man schließen, dass es keine größeren Aktivitäten sind, die der Mensch aus seinem Leben streicht. Mir scheint eher, dass es die kleinen Dinge sein werden, die der Mensch aus seinem Leben verbannt, weil er sie für unwichtig hält oder auch ihre ursprüngliche Bedeutung vergessen hat. Ein Lächeln, ein Händedruck, ein Gruß weniger - was macht das schon aus? Erst später wird der Mensch entdecken, dass ihm etwas fehlt, etwas, das ihm den Tag verschönert und ihm den anderen Menschen näherbringt.

Da ist die Frage des kleinen Prinzen, "Und was macht man mit diesen dreiundfünfzig Minuten?" eigentlich mehr als gerechtfertigt. Als er dann erfährt, dass er mit dieser Zeitspanne machen kann was er will, sucht er sich eine Aktivität aus, die dem Leser vielleicht auf den ersten Gedanken etwas eigentümlich erscheint: "ganz gemächlich zu einem Brunnen laufen...". Für mich heißt das, dass sich der kleine Prinz diese Zeit nimmt um sie gemütlich und ohne Stress zu verbringen und nicht auch noch diese Ruhepause verplant.

Auf dem Weg zu dem Brunnen könnte er Menschen treffen, sich mit ihnen unterhalten und ein Stück des Weges mit ihnen gehen. Wenn er dann an dem Brunnen angelangt ist, wird er sich vielleicht mit denen, die er getroffen hat, dorthin setzen um ihr Gespräch weiterzuführen. Der kleine Prinz könnte sich dann mit einem Schluck Wasser aus dem Brunnen stärken und seinen Gesprächspartnern ebenfalls eine kleine Erfrischung anbieten.

Der kleine Prinz könnte diesen Weg aber auch alleine gehen. Er könnte sich an den Brunnen setzen, gedankenverloren hineinblicken und den vergangenen Tag an seinem geistigen Auge vorüberziehen lassen. Aber auch ein ganz anderer Handlungsfortgang wäre möglich:

"Der kleine Prinz kehrt viele Jahre später zu einem erneuten Ausflug auf die Erde zurück. Er erinnert sich an die Worte des Händlers, dass man sich knapp fünfzig Minuten in einer Woche ersparen könnte und entschließt sich, sich sofort auf den Weg zu dem Brunnen zu machen. Auf dem Weg geschieht jedoch Sonderbares. Er trifft viele Menschen, alt und jung, und doch ist er allein. Sie hasten an ihm vorbei, übersehen ihn und die meisten der Menschen, die ihn schon kennen sollten, erkennen ihn gar nicht wieder. Der kleine Prinz geht verwundert weiter. Dann endlich ist er am Ziel, doch dort ist kein Brunnen! Alles was er sieht, ist ein riesiges würfelförmiges Gebäude aus Aluminium und Glas, und das Licht, das sich in den wenigen Fenstern spiegelt, blendet seine Augen. Doch dann erblickt er neben dem Gebäude einen jungen Mann in Uniform und beschließt ihn nach dem Verschwinden des Brunnens zu fragen: "Einen wunderschönen guten Morgen! Schönes Wetter heute!" Der Mann sieht den kleinen Prinzen, erstaunt ob so einer überschwenglichen Begrüßung eines Menschen, den er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hat, nur verwundert an. Der kleine Prinz stellt seine Frage: "Hier gab es doch früher einen Brunnen, was ist mit ihm geschehen?" - "Einen Brunnen? Keine Ahnung, ich bin hier nur der Parkplatzwächter! Vor einem Jahr wurde hier alles abgerissen und das neue Mega-Plex aufgebaut, mit zwanzig Kinosälen, Fast-Food-Restaurants und allem was das Herz begehrt." - "Gibt es in diesem Haus auch eine Ecke, wo man sich hinsetzen und sich ein bisschen entspannen kann?" - "Entspannen? Woher kommst du denn, von einem anderen Stern? Hier gibt es nur Action, das ist alles, was die Menschen wollen!" - "Ach so! Ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Ich werde woanders meinen Brunnen suchen.""

Wie schon Aristoteles sagte, das Wesentliche im Leben eines Menschen ist das Erreichen der Glückseligkeit und das Streben danach, das Beste aus seinem Leben zu machen. Es ist wichtig viel Zeit und Anstrengung in das zu investieren, das einem im Leben wichtig ist. Doch man sollte niemals vergessen auch hin und wieder einige Momente innezuhalten, und sich Zeit zu nehmen, um neue Kraft und Energien zu tanken.

Text: mth (Schularbeit Deutsch)